MANON - DIE HEUSCHRECKE UND DAS GARN

Wenn alles schweigt, die Schatten sinken, die Welt sich weiter vorwärts dreht, sitz ich in nächtlichen Gedanken, der Faden läuft, der Tag sich legt. Mein Häkeln flüstert durch die Stille, Masche für Masche, ganz allein, doch bald schon landet auf der Wolle, ein kleines Wesen grün und fein. Sie kommt, ganz leise, setzt sich hin, kein Ziel, kein Grund nur: «Hier bin ich» und ich, ich lächle ohne Worte denn irgend etwas spüre ich. So ist die Nacht im stillen Garten mit Fadenkunst und Flügelschlag, zwei Seelen die sich kurz berühren die Nacht sie geht und wird zum Tag.

DER STEIN

WUT, TRAUER, ANGST UND LIEBE – ALL DAS LEBT IN EINEM STEIN. LASS DIE WUT KOMMEN, FÜRCHTE DICH NICHT. AUCH SIE GEHÖRT ZU DIR. SO OFT WURDEST DU VERLETZT, SO SELTEN HAST DU DICH GEWEHRT. DU HAST GESCHWIEGEN, WO DU HÄTTEST SCHREIEN DÜRFEN. DOCH WAHRE LIEBE KANN ERST WACHSEN, WENN WUT UND ANGST IHREN PLATZ GEFUNDEN HABEN. WO IST DIE FREUDE GEBLIEBEN? DAS LACHEN? DAS GENIESSEN? LASS ES ZU – DENN ALL DAS BIST DU. ES TUT MIR LEID. DU HAST MEINE WUT NICHT VERDIENT. DU HAST GETAN, WAS DU KONNTEST. DU HAST VIEL ERTRAGEN, VIEL GEHOFFT, UND IMMER WIEDER GEGLAUBT: "ES KOMMT SCHON GUT." WIE HÄTTE ICH DIR GEFÜHLE SCHENKEN SOLLEN, WENN KEINE DA WAREN? ABER JETZT DÜRFEN SIE KOMMEN – AUCH WENN ES SCHMERZT. DENN DANACH WIRD LEICHTIGKEIT KOMMEN. WEICH. SANFT. ERLÖSEND. WIR BEIDE HABEN DAS VERDIENT. ICH GLAUBE AN UNS.

AUFhorchen

MERKen

gemeinSAM

einsamKEIT

DER SCHLAFENDE HUND

ICH HABE EINEN SCHLAFENDEN HUND GEWECKT. OB DAS GUT WAR, WEISS ICH NICHT – ABER ES FÜHLTE SICH RICHTIG AN. SEITDEM IST ER AN MEINER SEITE. STILL MANCHMAL, DANN WIEDER UNRUHIG. ER WEICHT MIR NICHT VON DER SEITE. NICHT BEI TAG. NICHT BEI NACHT. ER IST VERLETZT, DOCH UNTER JEDER WUNDE LIEGT LEBEN. MIT JEDER NARBE, DIE ICH ENTDECKE, ÖFFNET SICH EIN STÜCK MEINER GESCHICHTE. ICH PFLEGE IHN MIT GEDULD, WEIL ICH GLAUBE, DASS HEILUNG MÖGLICH IST. DASS ER WIEDER GEHEN KANN, NICHT GETRIEBEN, SONDERN GETRAGEN VON SICH SELBST. VIELE WÜNSCHEN SICH, ER HÄTTE WEITERGESCHLAFEN. SIE FÜRCHTEN SEIN ERWACHEN. VERÄNDERUNG... IST UNBEQUEM. ICH WÜNSCHE MIR FÜR IHN, DASS ER STARK WIRD – NICHT GEGEN ANDERE, SONDERN FÜR SICH SELBST. DASS ER SEINEN PLATZ EINNIMMT, OHNE SICH KLEIN ZU MACHEN. MANCHMAL FRAGE ICH MICH, OB SEIN MEISTER IHN WIRKLICH VERSTEHT. OB ER SIEHT, WAS IN DIESEM HUND VERBORGEN IST UND WAS ES BRAUCHT, DASS ER WACHSEN KANN. HAT ER ANGST VOR DEM, WAS ER SELBST VERDRÄNGT. WILL ER SICH WIRKLICH GEGEN DAS VORWÄRTSKOMMEN STELLEN? ICH WEISS ES NICHT. ER IST MIR EIN RÄTSEL. WOLLTE DER HUND ERWACHEN? HÄTTE ICH MICH NICHT BESSER NEBEN IHN GELEGT UND GESCHLAFEN? ICH DENKE SCHON! DENN JETZT IST DER HUND ERWACHT UND KANN NICHT MEHR SCHLAFEN, GENAU SO WIE ICH.